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Musikzentrale - Ein Zentrum gibt es nicht in Teilen

Stellungnahme von Multicore Freiburg e.V. zum Antwortschreiben der Stadtverwaltung auf die interfraktionelle Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen und JUPI-Freiburg zum Sachstand „Musikzentrale am Güterbahnhof“ vom 05.12.2019

Mit großem Interesse haben wir die Beantwortung der Fraktionsanfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und JUPI-Freiburg durch die Verwaltung der Stadt Freiburg zur Kenntnis genommen. In der Anfrage ging es um den Sachstand der Gespräche hinsichtlich der Realisierung einer Musikzentrale am Güterbahnhof. Wir bedanken uns sehr herzlich bei beiden Fraktionen für diese Nachfrage.


Auf Grundlage der Antworten seitens Stadtverwaltung und FWTM möchten wir folgende Stellungnahme abgeben:


Zunächst finden wir es schade, dass der Informationsfluss bezüglich des weiteren Vorgehens erst über eine schriftliche Fraktionsanfrage erfolgte, und der Informationsaustausch nicht durch offizielle bzw. direkte Gespräche zwischen Multicore Freiburg e.V. und der Stadt Freiburg stattfand. Das letzte offizielle Gespräch fand im Dezember 2018 statt. Dies war ein Hauptkritikpunkt, welchen wir auf unserer Kundgebung auf dem Zollhallenplatz am 28.09.2019 zum Ausdruck brachten. Leider wurde uns seither dennoch kein Gespräch mit Vertreter*innen der jeweiligen Dezernate, Gesellschaften oder Ämter angeboten. Der Eindruck, in dieser Frage nicht auf Augenhöhe mit am Verhandlungstisch zu sitzen, setzt sich somit fort.

Aus dem Antwortschreiben geht nun hervor, dass weitere Nutzungen in das beabsichtigte Gebäude auf dem Baugrundstück D4 implementiert werden sollen. Konkret soll ein Jugendtreff nun ebenfalls untergebracht werden – ein Bolzplatz und ein Quartierstreff waren bereits zuvor beabsichtigt.


Weiter heißt es im Schreiben, die Stadtverwaltung und die FWTM verfolgen das Ziel, „zumindest teilweise die Bedarfe von Multicore“ auf dem Grundstück zu realisieren. Als Begründung, wieso nur eine Teilberücksichtigung möglich sei, wird wiederum die höhere Baudichte genannt, resultierend aus der Vielzahl an Nutzungen, welche wiederum eine vollständige Umsetzung unseres Konzeptes verhindern. Zudem wird auf sog. Gemeinbedarfsflächen verwiesen – diese sind rechtlich verpflichtend und durch die Stadt nachzuweisen. Kulturelle Nutzungen fallen nicht darunter, seien also in ihrer Umsetzung für die Stadt Freiburg rechtlich nicht verpflichtend. Diese Argumentation ist nicht nur äußerst ärgerlich, sondern uns als Kulturschaffenden gänzlich unverständlich. Kultureinrichtungen sind nach unserer Überzeugung selbstverständlich Gemeinbedarfsflächen. Sie sind für die sog. Daseinsfürsorge als Teil der öffentlichen Infrastruktur ebenso wichtig wie Schulen, ÖPNV, KiTas, die Nahversorgung usw. Nicht alles ist Kultur, aber ohne Kultur ist alles nichts. Die Stadt Freiburg könnte hier mit wegweisendem Beispiel vorangehen, und der trägen Bundesgesetzgebung hier durch eine Selbstverpflichtung vorausgreifen.

Fakt ist, am Güterbahnhof fand Kultur in hohem Umfang statt; Fakt ist, der Wille zur Kompensation seitens der Stadt für das Wegfallen selbiger erfolgt mehr zähneknirschend als ambitioniert, mehr zusammenrationalisierend als mutig und zukunftsweisend.

Letzteres ist unser Hauptproblem mit der gegenwärtigen Planung: Immer mehr Nutzungen sollen in das Gebäude, und unser Konzept eines Zentrums für Musikschaffende in Freiburg – in welchem sämtliche Bedarfe in Fragen der defizitären popkulturellen Infrastruktur an einem Ort (neu-)geschaffen werden sollen und welches hocheffizient funktionieren muss, da wir schlichtweg wenig Flächen in Freiburg haben und daher große Synergien benötigen, um diesem Problem Rechnung zu tragen – droht zunehmend zerpflückt zu werden. Parallel zu den eingeschlafenen Gesprächen über das Grundstück D4 wurde uns ein weiteres, deutlich kleineres Objekt durch den Popsupport Freiburg als Zwischenlösung vorgestellt: Ein Objekt, welches die Bedarfe in seiner Dimension nicht im Ansatz zu decken vermag; ein Objekt, welches sich nicht im Besitz der Stadt Freiburg befindet; ein Objekt, welches hohe sechsstellige Investitionsvolumen verschlingen würde, um darin nur einen Bruchteil der benötigten Proberäume baurechtlich einwandfrei zu verwirklichen; ein Objekt, welches durch seine Beschaffenheit und Lage über nicht genügend Erweiterungspotenzial verfügt, um jemals als Musikzentrale fungieren zu können.


Durch das Antwortschreiben der Verwaltung erhärtet sich nun der Eindruck, dass es sich bei diesem Objekt nicht um eine Zwischenlösung handeln soll – die Stadtverwaltung scheint die von uns vorgesehenen Nutzungen nicht wie in unserem Konzept vorgeschlagen in einem Gebäude unterbringen, sondern auf verschiedene Objekte verteilen zu wollen. Das bedeutet, dass die Bedarfe, die durch die hinzugekommenen Nutzungen auf D4 aus unserem Konzept herausfallen würden, an anderer Stelle aufgefangen werden müssten. Da dies aber andernorts schon allein flächenanteilig nicht kompensiert werden kann, müssen wir davon ausgehen, dass die große Schere bereits ordentlich zugange ist. Das Kuriose dabei: Sowohl Verwaltung als auch Wirtschaftsförderung bestätigen im selben Atemzug die von uns ermittelten Bedarfe im Großen und Ganzen im gleichen Schreiben. Ja was denn nun?

Für uns wird deutlich, dass der Kerngedanke unseres Konzeptes insbesondere seitens der Bauverwaltung und der Wirtschaftsförderung, welche mit der Entwicklung des Grundstückes D4 betraut ist, nicht verstanden wurde: Eine hocheffiziente, zusammenhängende Nutzung mit größtmöglichen Synergien als Antwort auf die eklatanten strukturellen Defizite in Fragen popkultureller Infrastruktur in Freiburg. Oder anders gesagt: Wer wenig Platz hat, muss viel daraus machen. Aus anderen Bereichen der Entwicklung öffentlicher Infrastruktur wissen wir: Zentren sind leistungsfähiger als Filialen.


Gleichzeitig freuen wir uns über die Bewertung des Kulturamtes, welches erkannt hat, dass es bei unserem Vorhaben um mehr geht als das bloße Bereitstellen von Proberäumen. Die Behörde bewertet positiv, dass unser Konzept „weitere Bedarfe der Musikszene“ benennt. Insbesondere der Bedarf an zusätzlichen Spielstätten ist hierbei aus unserer Sicht von zentraler Bedeutung. Spätestens seit der Schließung des White Rabbit sowie der Gaststätte Walfisch scheint diese Einsicht zunehmend auch auf Verwaltungsebene Einzug zu halten.

Die Schaffung einer Auftrittsmöglichkeit als wesentlicher Teil einer Musikzentrale ist zudem ein von der IG Subkultur dokumentiertes Wahlversprechen von Oberbürgermeister Martin Horn, an welches wir hiermit gerne erinnern möchten. Im Antwortschreiben wird deutlich, dass die Verwaltung leider nicht mit einer Stimme spricht, was es für uns als Verein wiederum schwierig macht, uns zu verhalten.

Ein Betreiberkonzept für eine Realisierung des Vorhabens auf dem Grundstück D4 befindet sich gegenwärtig in der Ausarbeitung. Die unklare Informationslage über den Planungsstand seitens Verwaltung erschwert es uns jedoch, dieses stichhaltig zu formulieren, da uns die dafür zugrundeliegenden Zahlen, etwa über die angestrebte/realisierbare Dimension, nicht zur Verfügung stehen.


Wir möchten betonen: Eine Aufteilung der verschiedenen Nutzungen der Musikzentrale in mehrere Objekte würde letztlich zum Gegenteil dessen führen, was eigentlich beabsichtigt ist. Eine dezentrale Verteilung würde zu spürbaren Mehrkosten führen. Allem voran, weil die Personalkosten für mehrere Einrichtungen sich mit deren Anzahl quasi multiplizieren. Mehre Objekte heißt mehr Hausmeister, mehr Verwaltung, mehr Platzbedarf, mehr Wege, mehr Personal für Beratung und Fürsorge vor Ort, um letztlich den gleichen Effizienzstandard und damit ein vergleichbares Angebot zu erreichen.


Womöglich fehlt es – entgegen der im Schreiben geäußerten Einschätzung – doch am Willen und Mut, entsprechend Strukturen zu implementieren. Nach dem Motto: „Lieber erstmal kleine Brötchen backen.“ Wir bewerten das Antwortschreiben für unser Vorhaben als deutlichen Dämpfer, welcher die Musikschaffenden und uns als Verein wohl auf weitere schlechte Nachrichten einstimmen soll. Es droht die Verwässerung und letztlich das Kleinsparen von Maßnahmen, welche in unserer Stadt so dringend benötigt werden. Wir bitten die hier benannten Akteur*innen erneut und eindringlich, mit uns das Gespräch zu suchen, um dieser Situation zu begegnen. Freiburg braucht kein weiteres Flickwerk. Freiburg braucht endlich mutige Lösungen.





Franck Mitaine (Erster Vorsitzender) kommentiert:

„Bei der Musikzentrale handelt es sich um ein außerordentlich wichtiges und zukunftsweisendes Projekt für unsere Stadt. Dieses kann nur gelingen, wenn wir mit allen Beteiligten Gespräche führen – gleichberechtigt und auf Augenhöhe. In den 1980er Jahren wurden harte Kämpfe um das gesellschaftliche Gefüge in Freiburg ausgefochten, und wichtige Räume „erobert“. Ich weiß das, denn ich war dabei. Diese Errungenschaften bilden bis heute das Fundament, auf welchem Kultur in unserer Stadt stattfindet. Freiburg hat sich jedoch seither weiterentwickelt. Wir sind gewachsen, die Flächen hingegen nicht. Aktuell verlieren wir mehr Orte, als dass neue hinzukommen. Ich mache mir große Sorgen, dass wir eine einmalige Chance verpassen, unsere Zukunft zu gestalten.

Die Jugend stellt immer selbstbewusster die Frage, in welcher Zukunft wir leben wollen. Sie denkt viel nachhaltiger. Die Gesellschaft wandelt sich, die Frage nach dem, was wirklich wichtig ist, was sinnstiftend ist, was gerecht ist, wird ebenfalls immer lauter. Ich sehe die Kultur als wichtige Antwort auf diese Fragen. Sie verbindet Menschen, hinterfragt Altes, schafft Neues. Sie bedeutet Ermöglichung. Dafür braucht es aber Räume, Infrastruktur und etwas Anleitung.

Gleichzeitig können wir zeigen, dass dieses Vorhaben nicht das befürchtete „Fass ohne Boden“ für die Finanzen unserer Stadt werden wird. Einmal geschaffen, wird sich das Gebäude weitgehend selbst tragen. Durch dieses Haus werden wir das kulturelle Angebot erweitern, Jobs schaffen und letztlich einen Mehrwert für unsere Stadt schaffen. Einen, der dringend benötigt wird.“


Rainer Rieckmann (stellvertretender Vorsitzender) fügt hinzu:

„Wer sehen möchte, was die Stadt alles "wuppen" kann, muss sich nur eines der Nachbargrundstücke ansehen. Wo einst geförderten Wohnbau geplant war, soll jetzt eine Firmenzentrale entstehen und dafür extra nochmal der Bebauaungsplan angepasst werden. Es ist also vieles möglich - zumindest für finanzstarke Player. In Sachen (Sub-)Kulturförderung wären wir schon mit einem offenen Informationsfluss und einem ehrlichen Engagement seitens der Stadt Freiburg für die Sache zufrieden.“


Markus Schillberg (Schriftführer/Mitglied im Vorstand) ergänzt:

„Am meisten stört mich das Rumgedruckse seitens Verwaltung und FWTM. Es erscheint nicht ehrlich, immer wieder vertröstet zu werden, lediglich Informationshäppchen zu erhalten und sich dann darauf einen Reim machen zu müssen. Nach meiner Einschätzung fehlt es schlichtweg am Mut einzuräumen, was die eigentlichen Beweggründe für diesen leider wenig mitreißenden Umgang sind. Ich glaube es fehlt grundsätzlich an Einsicht, andere Projekte erscheinen wichtiger, das Geld in diese besser investiert oder der jeweilige „Mehrwert“ irgendwie greifbarer. Aber wir sind wichtig. Wir leisten einen Beitrag - materiell wie immateriell. Und natürlich braucht es dafür zunächst Infrastruktur. Aber diese lohnt sich. Jeder und jede in der Verwaltung und in Funktion, der/die daran nicht glaubt, möchte ich den ICE empfehlen: Straßburg ist nicht weit, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Darmstadt, Heidelberg usw. So ziemlich überall ist die popkulturelle Infrastruktur drastisch besser aufgestellt - so ziemlich überall käme niemand auf die Idee, deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Und zur Erinnerung. Dies sind nicht die zweitjüngsten Städte Deutschlands. Das ist immer noch Freiburg. Diese Situation kann sich Freiburg, deren einziges wirtschaftliches Pfund seine Attraktivität ist, schon heute nicht leisten - auf Dauer schon gar nicht. Es braucht daher mutige Entscheidungen – unsere Hoffnungen ruhen letztlich auf dem Gemeinderat."


Die komplette PM gibt es im PDF Format zum Download.

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